Soziale Netzwerke, auch social media genannt, können vieles sein — Nachrichtenmedium, Kontaktbörse, Visitenkarte oder einfach eine Suchmaschine, um verlorene Freund_innen wiederzufinden. Auch in politischen Zusammenhängen sind sie längst nicht mehr wegzudenken. Das liegt zum einen sicherlich an der recht einfachen Benutzung von Chats, Blogs, Newsgroups etc. – es lassen sich schnell und unkompliziert eine Menge interessierter Menschen erreichen. Dies ist nicht nur für die Mobi der nächsten Demo von Vorteil. Aber genau hier stellt sich für uns ein Problem: Um sich bei zahlreichen Onlineportalen anzumelden, ist oft die Abgabe deiner persönlichen Daten von Nöten. Hier ist es zwar noch möglich zu tricksen, aber spätestens über deine IP-Adresse bist du dann doch zu orten. Prinzipiell gibt es zu politischen Zusammenhängen und Aktionen keine unpolitischen oder harmlosen Kommentare. In jeder Aussage stecken Informationen über einzelne Personen oder über Zusammenhänge linker Strukturen an denen die Ermittlungsbehörden brennend interessiert sind.
Und selbst wenn du nichts bei Facebook und Co. über deine politischen Aktivitäten geschrieben hast, dann vielleicht deine Freund_innen, von denen dann auf dich indirekt verwiesen und damit auch über dich Auskunft gegeben wird. Und so lassen die auf den Sozialen Medien kreierten Netzwerke häufig Rückschlüsse auf reale Politzusammenhänge zu. Dazu sagt zum Beispiel Jonathan Chang, seines Zeichens Mitarbeiter der Datenforschungsabteilung bei Facebook: „Ist es nicht cool, dass wir die politischen Neigungen jedes Einzelnen in unserem Datensatz von 500 Millionen Personen kennen?“ Das, wofür der Verfassungsschutz sonst einige Mitarbeiter_innen benötigt, wird ihm somit auf dem goldenen Tablett serviert.
Auch die entsprechenden Fotos werden manchmal von den Nutzer_innen gleich mitgeliefert, auf denen die ganze Bande dann bei der letzten Demo zu sehen ist. In den seltensten Fällen wird sich die Mühe gemacht, diese dann zu verpixeln oder nur so rudimentär, dass es kein Computergenie braucht, um an die realen Daten heranzukommen.
Viele von ihnen finden ihren Weg auch unverpixelt ins Netz. Das ist eine klare Missachtung des Schutzes der abgebildeten Personen und endet zuweilen in Strafanzeigen und Gerichtsverfahren gegen Einzelne. In Berlin wurde zum Beispiel am 10. Juni 2009 eine Person zu 15 Monaten Haft verurteilt auf Grundlage eines bei Youtube eingestellten Videos.
Sicherlich ist ein Argument für das Filmen und Fotografieren, Übergriffe der Polizei zu dokumentieren. Doch die Bilder haben danach nichts im Netz zu suchen, sondern sollten an Soli- oder Antirepressionsgruppen weitergegeben werden, die sie sicher aufbewahren und für politische Arbeit verwenden können.
Aber auch „private“ Fotos oder Videos geben mehr über dich preis, als dir lieb sein sollte. Sie zeigen, wo du mit wem rumhängst, wie es da aussieht, wie du dich so kleidest und mit wem du vielleicht auch gemeinsam politische Aktionen machst. Möglicherweise finden sich auch Fotos von illegalisierten Personen, die erkannt und so gefunden werden können. Die Facetten der Informationsfreigabe sind vielfältig und sehr unübersichtlich. Sind diese Informationen aber erst einmal im Internet, ist es wirklich schwer beziehungsweise unmöglich, das Ganze rückgängig zu machen. Das Netz vergisst so schnell nicht.
Von diesen wahren Datenschätzen profitieren auch die Verfolgungsbehörden: So hat Facebook eine eigene Anwendung namens „Neoprint“ entwickelt, die den Behörden auf Anfrage ein handliches Informationspaket über Kontentinhaber_innen zusammenstellt, das neben sämtlichen Profil- und Kontaktinformationen unter anderem Mini-Feed, Notizen, Freund_innenlisten (mit sämtlichen Facebook-IDs), Gruppenlisten und Nachrichten enthält. Auch Fotos — private wie öffentliche — werden Behörden zur Verfügung gestellt.
Und so bilden insbesondere Indymedia, Facebook und Co. wahre Fundgruben für Fahndungszwecke. Bei den nächsten Vorkommnissen haben die Ermittlungsbehörden so eine hervorragende Recherchegrundlage, um bei den „bekannten“ Leuten mal genauer nach zu schauen…
Soziale Netzwerke können hilfreich sein und sind auch aus dem politischen Alltag nicht mehr wegzudenken. Umso wichtiger ist es, sich der möglichen Gefahren dieser Plattformen bewusst zu werden und gewissenhaft und sensibel mit seinen eigenen und den Daten anderer umzugehen. Das heißt konkret: Je weniger (wahre) Daten, desto besser! Machen wir es den Verfolgungsbehörden nicht unbedingt leichter als nötig!
Übrigens: Nicht nur die „Nadir-Crew“ wundert sich, dass Anna und Arthur plötzlich plappern. Auch wenn wir euch jetzt nicht auffordern, all eure Facebook- und gmx – Accounts zu schließen und nie wieder zu googlen, finden wir diesen 2012 von nadir veröffentlichten Artikel mit seinem grundsätzlichen Ansatz durchaus lesens- und nachdenkenswert.