Kessel

Es kommt immer mal wieder vor, dass die Cops bei Großereignissen Demonstrant_innen in großer Zahl einkesseln und nicht in die Gefangenensammelstelle (Gesa) bringen, sondern über Stunden an einem Ort festhalten. Im Prinzip unterscheidet sich das nicht von einem Gewahrsam (teilweise wird es sogar „Freiluftgewahrsam“ genannt). Die Cops sparen sich dadurch den logistischen Aufwand alle Betroffenen in die Gesa zu bringen, gleichzeitig vereiteln die Cops damit die Entscheidung über die Fortdauer des Gewahrsams durch eine_n Richter_in. Die Polizei verstößt damit gegen Artikel 104 des Grundgesetzes.

Während des Castor-Transports wurden damals Menschen, die an einer Gleisblockade teilgenommen hatten von den Schienen geräumt und über Stunden bei Minus-Temperaturen in einem großen Kessel aus abgeparkten Bullenwannen festgehalten. 2010 dauerte der Gewahrsam die ganze Nacht, bis der Castor-Transport vorbeigerollt war. 2011 wurden aus dem Kessel heraus von einzelnen Demonstrant_innen ein Antrag auf richterliche Anhörung gestellt, was schließlich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Polizeikessels und zu dessen Auflösung führte – das hat allerdings auch mehrere Stunden gedauert.

Hier findest du einen Muster-Antrag auf eine richterliche Anhörung. Solche Anträge werden manchmal vor Blockade-Aktionen auf Flyern verteilt, im Prinzip genügt aber auch ein selbst verfasster und unterschriebener Antrag auf einem Notizzettel.

Der Antrag muss zu den zuständigen Richter_innen kommen. Die Cops sind eigentlich verpflichtet einen solchen Antrag weiterzuleiten, besser ist es aber du übergibst den Antrag dem Legal/EA-Team vor-Ort. Die wissen dann schon, wie mit dem Antrag umzugehen ist und leiten ihn zuverlässig weiter.

Wenn du eingekesselt worden bist gibt es zwei Möglichkeiten, wie du dich verhalten kannst:

1.) Du stellst wie oben beschriebenen Antrag auf richterliche Überprüfung der Freiheitsentziehung (einen Muster-Antrag findest du hier).

Der Vorteil von einem Antrag ist, dass das Gericht sich sofort damit beschäftigen muss. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Polizeikessel rechtswidrig ist, weil die Cops hierbei viele Fehler machen. Jeder rechtswidrige Kessel hilft den gesamten Polizei-Einsatz in Frage zu stellen. Öffentlichkeitswirksam wird das aber nur mit einem Gerichtsverfahren. Hierzu ist der Antrag mindestens einer Person aus dem Kessel hilfreich. Solche Anträge beschäftigen natürlich auch die Cops vor Ort zusätzlich.

Du solltest dir allerdings bewusst sein, dass du damit die Dauer des Kessels verkürzen kannst, aber auf jeden Fall deine Personalien angeben musst.

2.) Bleibst du im Kessel und tust nichts, so bist du hinsichtlich der Dauer des Kessels zwar der Willkür der Cops ausgeliefert, mit etwas Glück bleibt dir aber die Personalienfeststellung erspart.

Die Rechtmäßigkeit des Polizeikessels wird in diesem Fall zwar nicht sofort gerichtlich überprüft, kann aber nachträglich mit einer Klage festgestellt werden.

Grundsätzlich gilt für den Polizeikessel, dass er genau wie der Gewahrsam in der Gesa unter menschenwürdigen Bedingungen stattfinden muss.

Das heißt, die Cops müssen Toiletten zur Verfügung stellen oder Toilettengänge aus dem Kessel heraus ermöglichen. Dauert der Kessel lange an, so müssen die Cops die Eingekesselten mit Essen und Getränken versorgen. Bei extremen Temperaturen müssen sie sich um Witterungsschutz kümmern. Auch im Kessel hast du ein Recht darauf, mit Ärzt_innen, Sanitäter_innen, Anwält_innen und Seelsorger_innen  zu sprechen.

Bei rechtswidrigen Freiheitsentziehung hast du Anspruch auf Schmerzensgeld.